:: Die muskuläre Energiebereitstellung im Sport ::

Sieht man einmal von Schach, Dart und ähnlichen “Sportarten“ ab, bedeutet sportliche Betätigung in der Regel körperliche Arbeit, sprich Muskelarbeit. Dazu bedarf es natürlich eines “Treibstoffes“. Dieser heißt ATP (Adenosintriphosphat) und ist ein sog. “energiereiches Phosphat“, welches durch seine Spaltung die Muskelkontraktion (Muskelverkürzung und/oder Muskelspannung) ermöglicht. Da in der Muskelzelle nur eine sehr geringe Menge an ATP gespeichert ist, muss diese chemische Energie ständig im Muskelstoffwechsel erzeugt werden, damit sie in mechanische Energie umgewandelt werden kann. Neben der mechanischen Energie, die z.B. der Fortbewegung dient, wird bei Muskelarbeit auch noch Energie in Form von Wärme erzeugt: Bei körperlicher Aktivität wird uns warm. Interessant dabei, dass nur ein Viertel bis maximal ein Drittel der umgesetzten Energie als mechanische Energie für die Muskelarbeit zur Verfügung gestellt wird und der Großteil des Energieumsatzes in Form von Wärme “verloren“ geht. Betrachtet man den Muskel als Maschine, so ist sein Wirkungsgrad somit relativ gering.

-> Bei Muskelarbeit wird chemische Energie (ATP) in mechanische Energie und Wärme umgewandelt.

Welche Energiequellen stehen zur ATP-Bildung zur Verfügung ? Wie schon erwähnt, ist in der Muskulatur nur eine sehr kleine Menge ATP gespeichert (ca. 2 kcal). Daneben gibt es noch ein zweites "energiereiches Phosphat", das Kreatinphosphat, welches durch Spaltung sofort ATP aus ADP regenerieren kann, aber auch nur in einem kleinen Ausmaß vorhanden ist (ca. 4 kcal). Die energiereichen Phosphate als direkt verfügbare chemische Energie ermöglichen durch eine maximal mögliche Energieflussrate (ATP-Bildung pro Zeit) zwar eine sofortige körperliche Höchstleistung, jedoch nur für einige Sekunden. Daraus folgt, dass es Energiequellen mit größerer Kapazität zur ATP-Gewinnung geben muss.

-> Die eigentlichen Energieträger sind die Nährstoffe Kohlenhydrate und Fette.

Kohlenhydrate sind als Glykogen (Speicherform von Glucose=Traubenzucker) in der Muskulatur und zu einem kleinen Teil auch in der Leber (max. 100 Gramm) gespeichert. In Abhängigkeit von Trainingszustand und Ernährung können bis zu 500 Gramm Glykogen in die Muskelzellen eingelagert werden (entsprechend ca. 2000 kcal). Diese Energiequelle ermöglicht intensive Ausdauerbelastungen bis zu etwa eineinhalb Stunden. Den weitaus größten Energiespeicher stellen die Fette dar, die vor allem unter der Haut gespeichert sind (Unterhautfettgewebe), aber auch im Bauchraum um die inneren Organe (viszerales oder abdominelles Fettgewebe). Bei schlanken Menschen beträgt die in den Fettdepots enthaltene Energie - sogar in der Muskulatur selbst ist etwas Fett gespeichert - das 30 - bis 50-fache der in Form von Glykogen gespeicherten Energie (bei dicken Personen entsprechend mehr). Damit sind stundenlange, ja sogar tagelange Ausdauerleistungen (mit allerdings geringerer Intensität) möglich. Auch in Ruhe verbrennen wir in unseren Muskeln so gut wie ausschließlich Fett bzw. Fettsäuren ("Schlank im Schlaf").

In welchem Ausmaß die Energiequellen "angezapft" werden, hängt davon ab, wie schnell, wie viel und wie lange im Muskel Energie bereitgestellt werden soll bzw. kann - mit anderen Worten, wie intensiv und wie lange die körperliche Belastung erfolgt. Je höher die Energieflussrate (ATP-Gewinnung pro Zeit), also je schneller dem Muskel Energie (ATP) geliefert werden kann, desto höher ist die Leistung (Leistung ist Arbeit pro Zeit).

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Man unterscheidet zwei Hauptmechanismen der Energiebereitstellung:

1) Die aerobe (=oxidative) Energiebereitstellung: Bildung von ATP unter Verbrauch von Sauerstoff

2) Die anaerobe Energiebereitstellung: Bildung von ATP ohne Verbrauch von Sauerstoff.

zu 1: Die aerobe Energiegewinnung erfolgt durch vollständige Verbrennung (=Oxidation) von a) Kohlenhydraten (genauer: Glukose = Traubenzucker) und b) Fetten (genauer: Fettsäuren) = Betaoxidation jeweils zu Kohlendioxid und Wasser, wobei die Glucose durch Glykogenabbau (Glykolyse) und die Fettsäuren durch Fettspaltung (Lipolyse) zur Verfügung gestellt werden.

zu 2: Die anaerobe Energiegewinnung erfolgt durch a) Spaltung der gespeicherten energiereichen Phosphate ATP und Kreatinphosphat = anaerob - alaktazide Energiebereitstellung und b) unvollständige Verbrennung von Glucose unter Bildung von Lactat ("Milchsäure"): anaerobe Glykolyse = anaerob - laktazide Energiebereitstellung.

Somit stehen dem Muskelstoffwechsel 4 Mechanismen der Energiegewinnung zur Verfügung, die je nach Intensität und Dauer der körperlichen Belastung beansprucht werden.

-> Primär bestimmt das Ausmaß der Belastungsintensität, nicht die Belastungsdauer die entsprechende Energiebereitstellung.

Beispiel Joggen: niedrige Belastungsintensität, das bedeutet aerobe Energiebereitstellung durch vornehmlich Fettverbrennung, egal, ob nur für 5 Minuten oder 2 Stunden. Dies vorweg für alle, die dem weitverbreiteten Irrglauben unterliegen, die Fettverbrennung würde erst nach einer halben Stunde einsetzen! Es besteht prinzipiell immer ein "Nebeneinander" der einzelnen Mechanismen der Energiebereitstellung mit fließenden Übergängen in Abhängigkeit von der Belastungsintensität und kein "Nacheinander", wie vielfach geglaubt wird.

Die Geschwindigkeit der Energiebereitstellung, die schon erwähnte Energieflussrate (ATP-Bildung pro Zeit), ist natürlich beim anaerob - alaktaziden Mechanismus am größten und nimmt bei der anaeroben Glykolyse (anaerob-laktazider Mechanismus), der aeroben Glucoseverbrennung sowie Fettverbrennung um jeweils ca. die Hälfte ab. Dafür nimmt der Energiegehalt in der gleichen Reihenfolge zu.

-> Intensität und Dauer (Kapazität) der körperlichen Leistung verhalten sich entsprechend der jeweiligen Energiebereitstellung gegenläufig.

Die maximal mögliche Leistung nimmt in der Reihenfolge anaerob - alaktazid (energiereiche Phosphate) -> anaerob - laktazid (anaerobe Glykolyse, unvollständige Glucoseverbrennung) -> aerobe Glykolyse (vollständige Glucoseverbrennung) -> Fettverbrennung ab, die mögliche Belastungsdauer in gleicher Reihenfolge zu.

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Gehen wir nun genauer auf die einzelnen Mechanismen der Energiebereitstellung ein.

1) Anaerob - alaktazide Energiebereitstellung

Wie bereits festgestellt, kann die mittels der "energiereichen Phosphate" (ATP, Kreatinphosphat) direkt verfügbare chemische Energie am schnellsten umgesetzt werden und ermöglicht damit die höchstmögliche Leistung. Jedoch ist diese Energiequelle sehr klein und reicht nur für kurze Zeit, nämlich 6 bis 10 (max. 15) Sekunden. Sie ist entscheidend für Maximal- und Schnellkraft sowie Schnelligkeit (Beispiele: 100m-Sprint, Gewichtheben, Kugelstoßen, Hochsprung usw.) Die dabei verbrauchten energiereichen Phosphate sind aber auch sehr rasch wiederhergestellt (je nach Trainingszustand nach einigen Sekunden bis wenigen Minuten). Seit einigen Jahren ist in Kraft- und Sprintsportarten die hochdosierte Einnahme von Kreatin üblich, um dadurch den Kreatinphosphatspeicher der Muskulatur zu vergrößern und damit die Leistung zu steigern.

2) Anaerob-laktazide Energiebereitstellung (Anaerobe Glykolyse):

Dieser für Kraftausdauer und vor allem Schnelligkeitsausdauer entscheidende Mechanismus stellt die nötige Energie für eine sehr intensive, maximal mögliche Leistung zwischen 15 und 45 (max. 60) Sekunden zur Verfügung. Für eine rein alaktazide Energiegewinnung ist in diesem Fall die Belastungsdauer bereits zu lang, für eine Mitbeteiligung der aeroben Glucoseverbrennung zu kurz und die Belastungsintensität zu hoch. Dabei wird die aus dem Muskelglykogen stammende Glucose unvollständig verbrannt, wobei Lactat ("Milchsäure", genauer: das Anion der Milchsäure) entsteht, das sich infolge der Protenenbildung in der beanspruchten Muskulatur anhäuft. Es kommt zu einer metabolischen Azidose ("Übersäuerung"), die nicht nur schmerzhaft, sondern letztendlich leistungslimitierend ist, da im sauren Milieu (die Grenze liegt bei einem pH von 7) durch eine Enzymhemmung die Muskelkontraktion gehemmt wird - man ist "blau", wie es im Fachjargon heißt. Bei der anaeroben Glykolyse werden aus dem Abbau von 1 mol Glukose zu 2 mol Laktat nur 2 mol ATP gewonnen. Bei vollständiger Oxidation von 1 mol Glukose (siehe unten bei Punkt 3) werden 38 mol ATP gewonnen.

Für die, die es genauer wissen wollen: Für die Übersäuerung ist die Bildung von Protonen (so nennt man die positiv geladenen Wasserstoffionen) verantwortlich. Die weitverbreitete Auffassung, dass es die Bildung von Milchsäure bzw. Lactat (Milchsäure = Lactat und Protonen) sei, die für die metabolische Azidose verantwortlich ist, ist jedoch falsch. Vielmehr ist es so, dass die Laktatproduktion  der Azidose sogar entgegenwirkt, weil die Umwandlung von Pyruvat zu Lactat durch die Lactatdehydogenase (LDH) einen Teil der Protonen aufnimmt, die bei der Umwandlung von Glucose zu Pyruvat freigesetzt werden. Eine weitere Freisetzung von Protonen tritt bei der Hydrolyse von ATP auf. Mit zunehmender Belastungsintensität und damit Energieflussrate kommt es durch die Glykolyse zu einer gesteigerten ATP-Hydrolyse und einer zunehmenden Protonenfreisetzung im Zytosol der Muskelzelle. Wenn deren Pufferkapazität erschöpft ist, kommt es zur Azidose. Die zunehmende Lactatproduktion ist somit eine Folge und nicht die Ursache der metabolischen Azidose. Lactat ist somit ein guter indirekter Marker für den veränderten Zellstoffwechsel, der zu einer Azidose führt, aber es ist nicht für diese verantwortlich!

Klassisches Beispiel hiefür ist der 400m-Lauf (wo die Athleten auf den letzten Metern durch die extreme Übersäuerung auffallend langsamer werden), weiters der 500m-Eisschnellauf, das 1000m-Bahnzeitfahren, aber auch ein langgzogener Endspurt im Langstreckenlauf.

400m-Sprinter erreichen aufgrund ihrer großen anaeroben Kapazität und Säuretoleranz die höchsten Lactatwerte überhaupt (bis 30 mmol/l). Da die Protonen aus dem „sauren“ Muskel in den Kreislauf gelangen, kommt es zu einer kurzzeitigen extremen Übersäuerung des Organismus, die normalerweise nicht mit dem Leben vereinbar wäre (metabolische Azidose mit pH-Werten bis herunter zu 7,  im beanspruchten Muskel beträgt der lokale pH-Wert kurzfristig sogar unter 7). Nach Abbruch der anaeroben Ausbelastung spürt man aber durch die Abpufferung und respiratorische Kompensation der Azidose ein rasches Nachlassen des „Muskelbrennens“. Gleichzeitig wird das angehäufte Lactat nach Belastungsende parallel zu den Protenen (Lactat/Wasserstoffionen - Kotransport) innerhalb von Minuten wieder beseitigt, indem der in der Muskulatur verbleibende Anteil via Umwandlung zu Pyruvat aerob verstoffwechselt (vollständig verbrannt) wird. Das in den Blutkreislauf ausgeschwemmte Lactat wird in der Leber und Muskulatur über Glucose zu Glykogen aufgebaut, aber auch von der Herzmuskulatur zur Energiegewinnung herangezogen (Übrigens: Lactat hat nichts mit dem „Muskelkater“ zu tun, wie manche immer noch meinen).

Lactat ist somit kein „Abfallprodukt“, sondern dient sowohl der Energiespeicherung als auch als Energielieferant. Deshalb ist es wichtig, nach einer intensiven anaeroben Belastung diese für mehrere Minuten langsam ausklingen zu lassen (Auslaufen, Ausradeln...), da damit der Lactatabbau und damit die muskuläre Erholung wesentlich rascher bewerkstelligt wird als im Falle körperlicher Ruhe. Man nennt dies aktive Erholung.

3) Aerobe Energiebereitstellung (Glucose- und Fettsäureoxidation):

Dieser Mechanismus der ATP-Gewinnung kommt bei den Ausdauersportarten zum Tragen, bei denen die maximale Sauerstoffaufnahme entscheidend ist.

Dauert die körperliche Belastung einer größeren Muskelgruppe länger als 90 Sekunden, beginnt die aerobe (=oxidative) Energiegewinnung die entscheidende Rolle zu spielen (Wie schon oben erwähnt, beginnt die Fettverbrennung nicht erst nach einer halben Stunde!). Es werden immer die beiden Nährstoffe Kohlenhydrate und Fette als Energielieferanten herangezogen ("Die Fette verbrennen im Feuer der Kohlenhydrate": damit die gemeinsame Bildung von Acetyl-CoenzymA gemeint, welches in den Citrazyklus eingeschleust wird), wobei je nach Belastungsintensität ein fließender Übergang in der anteilsmäßigen Energiebereitstellung besteht, der vor allem vom Trainingszustand abhängt. Bei sehr intensiven aeroben Anforderungen (z.B. 5000m-Lauf) werden so gut wie ausschließlich Kohlenhydrate (in Form von Glykogen bzw. Glucose), bei extensiveren, längerdauernden Belastungen (z.B. im Straßenradrennsport) umso mehr Fettsäuren verbrannt. Bei intensiven Ausdauerbelastungen wird die Glucose zum Teil unvollständig verbrannt, ist also auch die anaerobe Glykolyse zu einem gewissen Prozentsatz an der ansonst aeroben Energiebereitstellung mitbeteiligt. In diesem Fall müssen sich aber Lactatbildung (anaerob) und Lactatabbau (aerob) die Waage halten, um eine Übersäuerung zu vermeiden. Dies entspricht dann der individuell maximal möglichen Intensität, die über einen längeren Zeitraum aufrecht erhalten werden kann, der sog. "Schwellenleistung" an der sog. anaeroben Schwelle (genauer: aerob-anaerobe Schwelle bzw. Dauerleistungsgrenze), dem entscheidenden Kriterium im Ausdauersport. Die anaerobe Schwelle wird oft mit 4 mmol/l Lactat angegeben, dies ist jedoch nur ein Durchschnittswert, weshalb sie im Leistungssport individuell ermittelt werden sollte (Bei z.B. MarathonläuferInnen liegt die Dauerleistungsgrenze deutlich unter 4 mmol/l, bei Untrainierten meist darüber). Bei zu hoch gewählter Belastungsintensität (oberhalb der anaeroben Schwelle) würde die zunehmende muskuläre Übersäuerung mit entsprechender Anhäufung von Protonen und damit auch Lactat (Lactatbildung größer als Lactatelimination) zum vorzeitigen Abbruch der Belastung zwingen (siehe Punkt 2). All das spielt bei der Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung im Ausdauersport eine wesentliche Rolle. Die Glykogenreserven sind bei intensiver Dauerbelastung je nach Trainingszustand nach 60 bis 90 Minuten weitgehend erschöpft. Bei Fortsetzung der Ausdauerbelastung ist der Muskelstoffwechsel nun auf eine vermehrte Fettverbrennung angewiesen, wobei diese Energiebereitstellung mehr Sauerstoff benötigt und nur halb so schnell wie bei der oxidativen Glucoseverbrennung erfolgt (niedrigere Energieflussrate, siehe oben). Das hat zur Folge, dass in der Regel eine Verminderung der Belastungsintensität (z.B. der Laufgeschwindigkeit) notwendig ist (Der berüchtigte “Ast“ oder “Mann mit dem Hammer“ bei einem Marathonlauf, den man sich nicht gut eingeteilt hat bzw. wenn man auf eine regelmäßige Kohlenhydratzufuhr “vergessen“ hat.

Die entleerten Glykogenspeicher der Muskulatur werden bei entsprechender Ernährung (kohlenhydratreich, v.a. innerhalb der ersten zwei Stunden nach Belastung) je nach Trainingszustand innerhalb von ein bis drei Tagen wieder aufgefüllt. Um die Kapazität der muskulären Glykogenreserven vor einem Ausdauerwettkampf zu erhöhen ("Kohlenhydrat-Laden", "Tapering"), gibt es verschiedene Methoden, die man allerdings vorher ausprobieren muss. Meist wird ca. 5 Tage vor dem Wettkampf durch eine intensive Trainingseinheit von ca. eineinhalb Stunden der muskuläre Glykogenspeicher geleert. Die nachfolgenden 3 Tage wird die Muskulatur durch weitgehend kohlenhydratfreie Kost sowie weiterem Training regelrecht "ausgehungert" und anschließend ein bis zwei Tage bis zum Wettkampf mit ausgiebiger  Kohlenhydratnahrung "gefüttert". Unsere praktisch unerschöpflichen Fettreserven ermöglichen ultralange Ausdauerleistungen, die natürlich mit entsprechend niedriger Intensität ausgeführt werden müssen. Beispiele: Der Triple - Iron Man - Triathlon oder - noch extremer - das Race Across America.

-> Bei Ausdauerbelastungen, die länger als zwei Stunden dauern, ist ein gut trainierter Fettstoffwechsel entscheidend, damit er trotz der relativ langsamen Energiebereitstellung eine möglichst hohe Belastungsintensität bei gleichzeitiger Einsparung der wertvollen Glykogenreserven ermöglicht.

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Abschließend noch ein paar Worte zu den Muskelfasertypen :

Man unterscheidet grob die langsam zuckenden "roten" von den schnell zuckenden "weißen" Muskelfasern. Erstere sind durch ihren Gehalt an Myoglobin (rotem Muskelfarbstoff), das Sauerstoff speichern kann, sowie Mitochondrien ("Kraftwerke der Zelle", in denen die oxidative Verbrennung von Glucose und Fettsäure stattfindet) und oxidativen Enzymen (Biokatalysatoren für die aerobe Glucose- und Fettverbrennung) auf die aerobe Energiebereitstellung und damit Ausdauerleistungen spezialisiert. Die "schnellen" Muskelfasern hingegen sind gekennzeichnet durch einen hohen Gehalt an energiereichen Phosphaten und Enzymen, die diese spalten sowie Glykogen auch ohne Sauerstoff abbauen können und damit auf die anaerobe Energiebereitstellung, also Kraft und Schnelligkeit, spezialisiert. Etwas genauer:

1) Typ I-Fasern = ST-Fasern: „langsame“ bzw. „langsam zuckende" Muskelfasern (slow twitch) mit hoher Ermüdungsresistenz, hoher Konzentration an ATPase, relativ niedrigem Glykogengehalt und niedriger Konzentration an SDH (Succinatdehydrogenase) sowie neben oben erwähntem Myoglobingehalt auch einer hohen Anzahl an Mitochondrien (den "Kraftwerken der Zelle", in denen die oxidative Verbrennung von Glucose und Fettsäuren stattfindet). Sie finden sich vorwiegend in der "roten" Muskulatur und besitzen eine gute Energieversorgung durch eine gute Kapillarisierung. Sie werden bei lang durchgeführten Bewegungen mit geringer Kraftentwicklung eingesetzt.

2) Typ II-Fasern: umgekehrtes Enzymmuster, weitere Unterscheidung in

a) Typ IIA-Fasern: "schnelle" bzw. "schnell zuckende" (fast twitch) Fasern mit hoher Ermüdungstendenz, hohem Gehalt an gylykolytischen und oxidativen Enzymen, die bei länger ausgeführten Kontraktionen mit relativ hoher Kraftentwicklung benötigt werden.

b) Typ IIB-Fasern: schnelle, leicht ermüdbare Fasern mit hohem Glykogen- und niedrigem Mitochondriengehalt. Ihre Energiebereitstellung erfolgt sehr rasch, v.a. über die Glykolyse, wichtig für kurze bzw. intermittierende Belastungen mit hoher Kraftentwicklung.

c) Typ IIC-Fasern: sog. Intermediärfasern, die zwischen Typ I und II einzuordnen sind und je nach Training eher Typ I- oder eher Typ II-Eigenschaften entwickeln.

Allerdings muss gesagt werden, dass die Beziehung zwischen der histochemischen und der funktionellen Einteilung relativ locker zu sehen ist. Das Verhältnis zwischen diesen Muskelfasertypen scheint weitgehend genetisch festgelegt zu sein und hält sich bei den meisten Menschen die Waage. Allerdings konnte bei farbigen Sprintern ein deutliches Überwiegen der schnellzuckenden Fasern festgestellt werden, was die Hypothese untermauert, dass man zum Sprinter geboren sein muss (Tatsächlich gibt es nur wenige weiße Weltklassesprinter). Durch spezifisches Training kommt es zu einer funktionellen Anpassung der entsprechenden Muskelfasertypen (selektive Hypertrophie). So führt Ausdauertraining zu einer besseren Sauerstoffverwertung der "roten" Fasern und damit zu einer Verbesserung der VO2max.  Die Hypertrophie der "weißen" Fasern bewirkt eine entsprechende Kraftsteigerung. Eine echte Umwandlung zwischen "rot" und "weiß", sprich Typ I - und Typ II-Fasern ist nach dem derzeitigen Wissenstand nicht möglich.Es gibt aber die bereits genannten "intermediäre" Muskelfasern, die zwar den schnell zuckenden Fasern ähnlich sind, aber auch "langsame" Eigenschaften besitzen und durch Ausdauertraining zu "roten" Fasern umgewandelt werden können. Die Tatsache, dass viele MittelstreckenläuferInnen im Lauf der Jahre auf immer längere Distanzen (bis zum Marathon) umsteigen, unterstreicht diese Beobachtung und zeigt die jahrelange Entwicklung im Ausdauersport auf, in dem man erst nach vielen Jahren des aufbauenden, konsequenten Trainings den individuellen Leistungszenit erreicht. Dafür kann man dieses Niveau noch relativ lange aufrecht erhalten (Man erinnere sich: 1984 wurde Carlos Lopez mit 38 Jahren Olympiasieger im Marathonlauf - mit einer Zeit von 2 Stunden 8 Minuten!). Der umgekehrte Fall, nämlich die Umwandlung von "rot zu weiß" ist offensichtlich nicht möglich, die motorische Grundeigenschaft "Schnelligkeit" nimmt (wie auch die "Kraft") mit zunehmendem Alter ab. Bis dato ist noch kein Langstreckenläufer zum Sprinter geworden !

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ZUSAMMENFASSUNG DER ZENTRALEN PUNKTE

-> Bei Muskelarbeit wird chemische Energie (ATP) in mechanische Energie und Wärme umgewandelt.

-> Je höher die Energieflussrate (ATP-Bildung pro Zeit), desto höher die Leistung.

-> Intensität und Dauer der maximal möglichen Leistung verhalten sich gegenläufig.

-> Die Nährstoffe Kohlenhydrate und Fette sind unsere Energiespeicher, die je nach Intensität und Dauer der körperlichen Belastung auf unterschiedliche Art zur Energiegewinnung herangezogen werden.

-> Jede Sportart benötigt eine spezifische Energiebereitstellung, die mit dem Muskelfasertyp zusammenhängt.

-> Die Energiebereitstellung im Muskelstoffwechsel ist abhängig vom Trainingszustand und zum Teil auch von der Ernährung.

-> Je besser der Fettstoffwechsel trainiert ist, desto sparsamer kann die Muskulatur mit den wertvollen Glykogenreserven umgehen.

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Dr. Kurt Moosburger, Innsbruck, 1994 (zuletzt überarbeitet im August 2004, veröffentlicht im "Sportmagazin" 01/1995)

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